Das Konzept des Begleiteten Malens*
* seit 2015 als PM (Personenorientiertes Malen)
bezeichnet
Das in der malinsel angebotene Begleitete Malen hat mit Kunst überraschender Weise nichts gemein. Kunst nämlich dient der Kommunikation. Kunstwerke wollen und sollen etwas mitteilen, suchen ein Publikum und fordern die Reaktionen und Antworten der Betrachter heraus. Ganz anders ist diese Art des Malens gemeint, die Arno Stern als Erster so erkannt und beschrieben hat. Vor über 50 Jahren verwirklichte er in Paris zum ersten Mal einen solchen Malort: den "Closlieu".
In diesem Malatelier malen bis zu 6 Malende mit den Farben eines gemeinsamen Palettentisches. Dieser Tisch steht mitten im Raum. 18 farbkräftige und gut deckende Gouache-Farben stehen in Töpfchen bereit; jede Farbe hat ihre eigenen zwei Pinsel in bester Qualität. Die wortlose Begegnung der Malenden beim Farbe holen macht aus dem Malen ein Gruppenerlebnis, obwohl jeder Einzelne an seinem Bild malt und sich nicht um die Bilder der anderen kümmert. Bei solch gemeinsamen Tun fühlen sich Kinder wie Erwachsene aufgehoben und getragen. Am Ende jedes Termins gibt es dann in einer kleinen Runde die Möglichkeit, zu berichten. Natürlich nicht über die anderen Bilder, sondern über das eigene Erleben beim Malen – wenn man will.
Das Begleitete Malen ist zunächst wie ein Spiel mit Form und Farbe. Wie Kinder sich im Spiel erproben und langsam zu sich selbst finden, so ist auch das Begleitete Malen ein Spiel, welches die Selbstfindung fördert. Da die Bilder nicht für Dritte gemacht werden, besteht auch kein Druck, etwas Schönes oder "Gelungenes" zu schaffen. Man wird sich nicht rechtfertigen müssen, was man denn da gemalt hat. Jeder wählt seinen Bildinhalt selbst, begleitet durch den Malleiter. Ob er dann mit Pinseln oder mit den Fingern auf den großen Papierbögen an der Wand malt, ist ebenfalls eine freie Entscheidung.
Beim Begleiteten Malen gilt dem eigenen Tun und Erleben die Aufmerksamkeit, und nicht dem Ergebnis. Im Prozess des Malens wird der Malende vom Malleiter begleitet. Die entstehenden Bilder werden dabei weder gewertet, noch interpretiert oder künstlerisch beurteilt. Das ermöglicht ein unbelastetes Entstehen lassen von farbigen Spuren. Dieses Malen ohne Absicht und Erwartung und die dadurch mögliche Konzentration auf sich selbst führt beim Malenden zur Entdeckung des Unberührten oder Vergessenen in seinem Wesen. Entwicklungsschritte können verarbeitet oder vertieft und neue Handlungsweisen erprobt werden. Das kreative Schaffen fördert bei Kindern wie bei Erwachsenen das Wachstum der Persönlichkeit. Es bietet neben der Klärung von Erlebnissen zudem die Möglichkeit zur Entspannung. Der regelmäßige Besuch über längere Zeit ermöglicht eine Arbeit, die dem Aufbau des Selbst dient. Regelmäßiges Malen fördert zudem Konzentrationsvermögen, Entscheidungsfähigkeit und das Selbstvertrauen.
Dies alles kann jedoch nur an einem Ort gelingen, der alle Merkmale eines geschützten Raumes, eines Schonraumes hat. So hat die malinsel keine Fenster. Nichts soll die Aufmerksamkeit ablenken. Die Bilder bleiben im Malatelier, damit sie vor wertenden und interpretierenden Blicken Außenstehender geschützt sind. Dies gibt dem Malenden die Sicherheit, frei zu malen. Klare Mal- und Verhaltensregeln kommen hinzu. Spielregeln sind keine Einschränkungen; sie sind Ermöglichungen.
Gelehrt wird das Begleitete Malen von Bettina Egger am Institut für humanistische Kunsttherapie (IHK) in Weggis/ Schweiz. Sie lernte während ihrer Ausbildung bei Arno Stern den geschützten Malort, den Closlieu kennen und dort vor allem den großen Respekt, den jedes einzelne Bild verdient. In fast 40 Jahren der Arbeit mit Menschen und ihren Bildern trug sie die Gedanken von Arno Stern weiter und entwickelte sinnvolle Interventionen, die das Begleiten des Malens ausmachen. Es entstand auch das Lösungsorientierte Malen LOM, eine eigenständige Kurzzeit-Therapie für die Bearbeitung konkreter Anliegen. Malleiter, so sagt Egger, sind ein wenig wie Hebammen: Sie helfen mit, dass unsere inneren Bilder unbeschadet das Licht der Welt erblicken können.